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8. Oktober 2005 - 22. Oktober 2005
19991 Home Delivery
Mona Jas & Holger Friese (Berlin)

19991 home-delivery

In einer vielschichtigen Installation dokumentieren Mona Jas und Holger Friese in dieser Arbeit die kulturelle Mannigfaltigkeit und Divergenz in einem arabischen Land. Sie beobachten mit ihrer Kamera, dokumentieren und sammeln Material, und stellen all dies ganz unspektakulär in Bezug. In einer ruhigen, ungeschnittenen Einstellung von knapp 17 Minuten zeigt ihr Film das Geschehen vor der McDonald’s-Filiale des Ortsteils Hadaba im ägyptischen Sharm El-Sheikh auf der Halbinsel Sinai und offenbart die Parallelität säkularer und nicht-säkularer Lebensweisen. Dieser Film wurde zwei Tage vor den Bombenanschlägen dieses Sommers in Sharm el-Sheik fertig gestellt. Eine begleitende Tonarbeit verweist darüber hinaus auch noch auf die Widersprüche zum touristischen Bild dieser Stadt.

Die amerikanischen McDonald’s-Kette legt großen Wert auf globale Markenidentität, die sich über die ökonomisch effiziente Selbstbedienung (self-service) und die Transparenz von Herstellung und Hygiene bestimmt. Die Filiale in Hadaba – untergebracht in einem unauffälligen zweistöckigen Gebäude mit geschlossenen Fensterläden – ist dagegen kaum als solche zu erkennen und erzielt ihre Einnahmen ausschließlich durch den Lieferservice home delivery – dem Gegenteil des self-service. Das einzig offensichtliche Erkennungszeichen ist das McDonald’s-Logo auf den Mülltonnen, aus denen sich herumstreunende Tiere nähren, sowie auf den Werbeflächen der auf den Dienst-Vespas montierten Transportkisten.

Ein mit einer traditionellen Djellaba bekleideter Angestellter, vermutlich der Hausmeister, verlässt im Film mehrfach das Gebäude und kehrt wieder zurück. Er vollzieht im Hof die rituelle Waschung vor einem Besuch in der gegenüber (außerhalb des Bildes) liegenden Moschee, von der ein Muezzin zum vierten der fünf täglichen Gebete ruft.

Ein junger Angestellter in McDonald’s-Firmenkleidung bereitet während dessen gemächlich seine Abfahrt vor, um ein bestelltes und frisch hergestelltes Menu auszuliefern. Nach mehreren Startversuchen ist die Vespa fahrbereit. Erst danach poliert er seinen Helm und reinigt sein Gefährt, um diese vom Wüstensand zu befreien, und fährt schließlich los. Es fällt auf, dass sich die Wege beider Angestellter im Hof mehrfach kreuzen, ohne dass sie in Blickkontakt treten. Unabhängig und akkustisch von diesem Film getrennt ist in der Ausstellung über einen Funkkopfhörer das etwa 15 Minuten lange Stück „Mix“ zu hören, in dem die Schauspielerin Megan Gay verschiedene Informationstexte und Anzeigen aus Touristenführern über Sharm El-Sheik liest, und in dem ein Stück des ägyptischen Ensembles mizmar baladi zu hören ist.

Als weiteres Installationselement steht ein Turm aus drei übereinander gestapelten Steinen auf dem Boden des Ausstellungsraumes. In der Wüste Sinai markieren solche Türme die Abzweigungen zu den Wohnorten der sie aufstellenden Beduinenfamilien. Die verwendeten Steine stammen allerdings aus Europa, da in Ägypten ein generelles Ausfuhrverbot nicht nur für Muscheln und Korallen sondern auch für Steine und Sand besteht.

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